Vor einiger Zeit habe ich ein interessantes Buch über Unternehmenskultur mit dem Titel “Improving Maintenance Reliability Through Cultural Change” gelesen. Danach war das Buch zunächst von meinem Radar verschwunden. Erst kürzlich fiel mir während meiner digitalen Transformationsreise wieder das Buch ein, denn der Inhalt ist auch in diesem Zusammenhang relevant. Das Ziel meiner Reise ist es, Kunden zu helfen, ihr Unternehmen zu transformieren.
Es wurde schon oft gesagt: Bei der Transformation geht es um Menschen, Prozesse und Technologien. Über diese drei Eckpfeiler sind bereits Tausende von Artikeln geschrieben worden. Eine Frage bleibt jedoch offen: Was verbindet diese drei Eckpfeiler? Ich persönlich denke, dass die Organisationskultur das bindende Glied ist. Vielleicht fragen Sie sich jetzt: “Schön, aber was genau meinen Sie mit Organisationskultur?”
Wieder gibt es unzählige Definitionen für Kultur. Die von mir präferierte Definition wurde auch im Buch erwähnt:
“Ein Muster gemeinsamer Grundannahmen, das die Gruppe gelernt hat, als sie ihre Probleme der externen Anpassung und der internen Integration gelöst hat. Das gut genug funktioniert hat, um als gültig angesehen zu werden, und deshalb den neuen Mitgliedern als die richtige Art und Weise, diese Probleme wahrzunehmen, zu denken und zu fühlen beigebracht wird.”
Bevor Unternehmen mit der digitalen Transformation beginnen, ist ein gutes Verständnis Ihrer aktuellen Unternehmenskultur aus einfachen Gründen entscheidend. Denn eben jene könnte eines der größten Hindernisse im Hinblick auf Veränderungen sein.
Die Unternehmenskultur und die Macht der Gewohnheit
Die Kultur, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Rituale oder Gewohnheiten bezeichnet, ist oft das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Diese Rituale werden häufig bestärkt, um zu betonen, dass die Praxis dieser das Beste für das Unternehmen sei. Nicht selten werden aber auch einzelne Mitarbeiter für die Ausführung der Tätigkeit nach der bewährten Art und Weise belohnt. Somit sind gewisse Gewohnheiten als “richtig” oder “falsch” in den Köpfen der Mitarbeiter verankert.
Ein gutes Beispiel ist die Energieeinsparung durch Datenerhebung zur Ermittlung von Einsparungsmöglichkeiten. Der Verantwortliche hat in der Vergangenheit gute Ergebnisse erzielt und wurde für die Kosteneinsparungen mehrfach belohnt. Mit anderen Worten, er ist ein Vorbild für das Unternehmen. Obwohl seine Methoden veraltet sind, stellt niemand in der Organisation seine Kompetenzen, Fähigkeiten und Empfehlungen infrage.
Das Vorbild vs. digitaler Zwilling
Mit dem digitalen Zwilling (Modellierung der Prozess- und Energieeinheiten und Einlesen der realen Messdaten in das Modell) können jedoch Ergebnisse erzielt werden, die weit über die nicht zeitgemäße Methodik hinausgehen. Daten werden gesammelt und individuelle Berechnungen durchgeführt.
Man könnte vermuten, dass der vorbildliche Mitarbeiter die Lösung zur Energieeinsparung durch digitale Zwillinge begrüßen würde. Doch weit gefehlt!
Im Gegenteil, das Vorbild versteht sehr gut, dass seine Verstärkung der Belohnung durch die Aufnahme des digitalen Zwillings stark gestört würde. Das Modell berechnet nämlich automatisch wie Energie eingespart werden kann und gibt den Bedienern ohne Eingriff des Vorbilds direkte Anweisungen. Das ist natürlich toll für das Unternehmen, weil es dadurch jährlich Millionen einsparen kann. Für das Vorbild ist es allerdings “schlecht”, weil er nicht mehr die regelmäßige Belohnung in Form von Komplimenten bekommt. Diese Komplimente werden indirekt an den digitalen Twin und auf direktem Weg an die Operator gehen.
Die gegenwärtige Kultur und das Vorbild, das in der Vergangenheit eine hervorragende Arbeit geleistet hat, sind also plötzlich das größte Hindernis für Veränderungen. Solange dies vom Unternehmen nicht erkannt wurde, ist es für mich fast unmöglich, eine offene Diskussion mit dem Vorbild zu führen und der Person alle Vorteile mit einem Return of Investment von weniger als 12 Monaten zu zeigen. Natürlich könnte ich das Vorbild übergehen und direkt mit dem Werksleiter oder Direktor sprechen, aber dann unterschätzen Sie die Macht eines Vorbildes in einer Organisation. Durch ein einziges Gespräch wird keine Veränderung hervorrufen.
Sind Vorbilder also ein Hindernis?
Definitiv nicht! Für den Wandel braucht man Vorbilder. Sie sind entscheidend für den Wandel, weil sie als Vorbild fungieren und andere Kollegen inspirieren. Ein Vorbild, das an die Veränderung glaubt und sie noch besser gemacht hat, damit die Person die Belohnung kennt, ist eine der Voraussetzungen, um Veränderungen herbeizuführen.
Sie müssen nur wissen, welche Art von Vorbildern Sie in Ihrer Organisation haben. Es gibt diejenigen, die sich wirklich ändern wollen und diejenigen, die sich nicht ändern wollen, dies aber oft nicht offen zugeben.
Wissen Sie, welche Art von Vorbildern Sie in Ihrem Unternehmen haben?