Nachdem im ersten Teil dieses Blog-Artikels die allgemeinen Informationen rund um eine der ältesten Pflanzen der Erde sowie ihre Einsatzmöglichkeiten in Medizin, Pharmazeutik, Kosmetik und als Lebensmittel im Fokus standen, geht es nun folgend um das Potenzial der Algen in der Forschung und der Industrie.
Algen in der Forschung
Der Klimaeffekt der Algen interessiert die Wissenschaft besonders. Denn die Pflanzen kühlen tatsächlich das Klima. Ihre Wirkung ist besonders rundum die Ozeane der Südhalbkugel groß, da Wärme die Algen zu mehr Schwefelbildung und auch insgesamt die Wolkenbildung anregt: Weniger Sonne, mehr Wolken – die Atmosphäre kühlt sich ab. Dazu wirken die Algen dem Treibhauseffekt zum Teil entgegen. Sie entziehen der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid und binden sie in organische Materie. Dabei wandeln Algen dreimal mehr CO2 um als Nutzpflanzen. Forschungen haben zudem ergeben, dass die Grünalge den Kunststoff PET in seine Grundbausteine zerlegen kann. Diese könnten dann wiederum zur Herstellung von neuem Plastik genutzt werden – eine Lösung mit Blick auf die weltweiten Probleme mit Mikroplastik und Plastikmüll?
Algen in der Industrie
Neben all den bereits genannten Vorteilen, sollen die Pflanzen künftig auch noch den Energiebedarf decken. Zu diesem Zweck wird die Biomasse der sich schnell vermehrenden Braunalge dafür in Bioethanol und Methan aufgetrennt. Diese Komponenten sind als Kraftstoff nutzbar oder können der Wärmeerzeugung (Biogas) dienen.
Das immense Interesse der Industrie an Algen kommt dabei nicht von ungefähr: Immerhin produzieren diese etwa 30 Mal mehr Öl als Raps oder Mais. Und für Biosprit wurden bislang eben diese Pflanzen ebenso wie Zuckerrohr und Getreide genutzt. Für all diese Pflanzen ist aber Ackerland nötig, das angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen knapp wird. Dr. Andreas Helget, Geschäftsführer der Yokogawa Deutschland GmbH, hatte dies in seiner regelmäßigen Kolumne bereits thematisiert.
Mineralöl-Riesen investieren
Hier liegt ein weiterer Vorteil der Alge: Diese benötigt lediglich Nährstoffe, Licht, Wasser und Kohlendioxid. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass von wissenschaftlicher und kommerzieller Seite das Interesse an der Nutzung der Algen zur Produktion von Bioenergie sowie in der Biotechnologie wächst. Nicht umsonst investieren zum Beispiel die Größen der Mineralölindustrie wie BP oder Shell mit Blick auf effizienten Biotreibstoff seit Jahren in die Energiepflanze. Auch Yokogawa engagiert sich längst in diesem Bereich und hat mit Mikroalgen-Spezialist Alga Energy eine strategische Partnerschaft geschlossen.
Die Qualität reicht allerdings derzeit (noch) nicht aus, um den gewünschten Treibstoff zu erzeugen. Doch die Forschungen gehen unentwegt weiter, um über verbesserte Verfahren den nötigen höheren Fettgehalt der Pflanze zu erzielen. Derzeit sind die Anlagen- und Betriebskosten sind zu teuer, um mit Biosprit aus Algen Gewinn zu machen.
Effektiver als eine Kläranlage
Ein anderer Vorteil des „Tausendsassas“ Alge ist die Möglichkeit, die diese mit Blick auf die Abwasserreinigung bietet. Denn die Pflanzen können zum Binden von ausgeschwemmten Düngemitteln eingesetzt und selbst wieder als Algendünger verwendet werden. Wie durch andere Pflanzen auch, kann mit ihrer Hilfe Kohlenstoffdioxid (CO2) gebunden werden. Zudem sind sie zur Trinkwasserdesinfektion im ländlichen Sektor geeignet. Mit diesem Verfahren ist es möglich, Abwasser aus Landwirtschaft und Industrie zu säubern. Effektiver als in einer konventionellen Kläranlage – das glauben zumindest Unternehmer und Wissenschaftler. Forscher der TU München vermeldeten unlängst sogar aus Algen hergestellte innovative Materialien mit Carbonfasern aus Algen, die leichter als Aluminium und stärker als Stahl sein sollen.
Die Algen: Tatsächlich ein Tausendsassa.
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